Dee Dee Bridgewater: Die Jazzsängerin protestiert gegen Trump, bleibt aber witzig und hoffnungsfroh

Sie sorgte für einen enthusiastischen Auftakt zum Zürcher Festival Jazznojazz 2025. Die amerikanische Jazzsängerin Dee Dee Bridgewater bewies mit einem Programm aus Protestsongs, wie souverän sie Stile und Tonlagen wechseln kann.

Wäre das Festival Jazznojazz ein Wettbewerb, er wäre nach dem Eröffnungskonzert wahrscheinlich bereits entschieden. Dee Dee Bridgewater kam am Mittwochabend schon strahlend wie eine Siegerin auf die grosse Bühne der Gessnerallee. Und von Beginn weg liess die glatzköpfige Sängerin mit wuchtiger Brille all jene Kräfte spielen, die ein Konzert zum bleibenden Ereignis machen – auch über die musikalische Performance hinaus.
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Tatsächlich verfügt die extravertierte Amerikanerin über menschliche und künstlerische Qualitäten, von denen andere nur träumen können. Dazu zählt auch ihr Sinn für Ironie. So verlieh sie ihrem Auftritt stets eine humoristische lockere Note, obwohl sich ihr Repertoire aus kämpferischen Protestsongs zusammensetzte.
Lieder der BürgerrechtsbewegungDass sich Bridgewater mit der momentanen Weltlage und insbesondere mit der US-Regierung nicht abfinden kann – zumal Letztere sich um afroamerikanische Geschichte zu foutieren scheint –, machte sie von Anfang an klar. Und wusste das Publikum auf ihrer Seite. Sie interpretierte nun fast durchwegs Titel, die bereits zum Soundtrack der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung gehörten. Aber die Musik erwies sich stets als frisch und aktuell.
Das galt zum Beispiel für «The Danger Zone», einen Blues von Percy Mayfield, den Ray Charles Anfang der sechziger Jahre bekannt machte. Oder «Alabama Goddam» von Nina Simone. Oder «Tryin’ Times» von Roberta Flack. Immer wieder steigerte sich die 75 Jahre alte Sängerin gesanglich in einen heiligen Zorn und zeigte, wie viel Temperament noch in ihr steckt.
Wenn sie «I’m worried» sang oder «I’m troubled», um ihren Sorgen über den Zustand der Welt Ausdruck zu verleihen, wirkte das wie das mutige Aufbegehren einer resoluten Bürgerin. Wenn sie ihre Stimme aber weiter forcierte, bis sie sich brach im schrillen Gezeter, dann mischten sich Pathos und Parodie.
Dee Dee Bridgewater schafft immer wieder den Spagat zwischen gehauchtem Jazz und löwenartig gebrülltem Blues. Dass ihre Expressivität auch ins Grobe hineinreicht, hat mitunter zur Skepsis eines konservativeren Jazzpublikums geführt, das einen Mangel an Sensibilität und Geschmack festzustellen glaubte. Das Urteil ist falsch, aber symptomatisch für Bridgewaters Musikalität, die noch mehr in die Breite geht als in die Tiefe.
Feinfühlige BegleiterinnenTatsächlich versteht sie es, zwischen unterschiedlichen Stilmitteln spielend zu wechseln. Man könnte meinen, die Herausforderungen für Blues-, Jazz- und Rocksängerinnen seien insofern ähnlich, als es sich ja bei all diesen Stilen um die Verschmelzung afrikanischer und europäischer Einflüsse handelt. Dass aber eine Soul-Diva wie Aretha Franklin in Jazzballaden so verloren wirkte wie die Jazz-Queen Ella Fitzgerald in Soul-Tunes, beweist aber, dass sich aus ähnlichen Wurzeln recht unterschiedliche Kulturen herausgebildet haben. Dee Dee Bridgewater hat sie sich alle souverän angeeignet.
Die stilistische Vielfalt ist auch eine Herausforderung für ihre Women-only-Begleitband We Exist, mit der Bridgewater für einen höheren Frauenanteil in der einstigen Macho-Kultur des Jazz wirbt. Die Instrumentalistinnen, die Bridgewater durchwegs diskret und feinfühlig begleiteten, hatten es allerdings etwas leichter beim Variieren der Traditionen: Wenn sich der Groove aus dem Swing in Funk oder Rock verwandeln sollte, dann wechselte Carmen Staaf vom Piano zur Orgel oder zum Fender Rhodes. Und die Bassistin Rosa Brunello tauschte den Kontrabass mit dem E-Bass. Zusammen mit der Schlagzeugerin Julie Saury aber bildeten sie eine Rhythmusgruppe, die die Power-Performance von Lady Bridgewater bestens zur Geltung brachte.
nzz.ch




