Roberta Flack war eine der stilbildenden Sängerinnen von Soul und R’n’B. Nun ist die Interpretin von «Killing Me Softly» gestorben
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
Jack Robinson / Hulton Archive / Getty
Sie trat gegen Erwartungen an. Von einer afroamerikanischen Sängerin, die aus North Carolina stammte, erwartete man Anfang der siebziger Jahre mitreissenden, üppigen Soul. Roberta Flack jedoch hob sich von den am Gospel geschulten Aretha-Franklin-Imitaten deutlich ab. Was sie aus dem Gros des Pop-Gesangs der damaligen Zeit heraushob, war ihre unaufgeregte, gänzlich unaffektierte Stimme. Allerdings machte man ihr gerade diese Qualität bisweilen zum Vorwurf: Ihrem Gesang wohne Reserviertheit inne, wenn nicht gar Gefühlskälte, hiess es.
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1937 wurde Roberta Flack in eine musikalische Familie geboren. Ihre Mutter war Organistin in der Kirche und weckte bei der Tochter das Interesse an Gospel und an klassischer Musik. 9-jährig begann Roberta Flack Klavier zu spielen, und mit 15 Jahren wurde sie als Pianistin zum Musikstudium an der Howard University zugelassen. Sie studierte dabei auch Musikpädagogik und arbeitete später in Washington als Lehrerin.
Single des JahresIn einem Washingtoner Nachtlokal , wo sie mit einem gediegenen Pop-Rezital auftrat, hörte sie der Soul-Jazz-Pianist Les McCann singen. Er empfahl sie seinem Plattenlabel Atlantic. Und schon debütierte Flack 1969 mit dem Album «First Take».
Doch der Erfolg kam erst drei Jahre später, als Clint Eastwood ihren Song «The First Time Ever I Saw Your Face», eine Ballade des politisch linksgerichteten, britischen Songwriters Ewan MacColl, in seinem Film «Play Misty For Me» (1971) einsetzte. Der Song gelangte in die amerikanischen Charts, wurde als Single des Jahres ausgezeichnet und gewann einen Grammy. Roberta Flacks Weg war geebnet, er führte aus Afroamerika hinaus in die internationale Musikwelt.
Flack kam relativ spät zu ihrem Ruhm – in ihren Dreissigern. Und so war sie reif genug, um damit umgehen zu können. Sie sang abgeklärt und langsam wie eine Erwachsene, die die Welt genau einschätzen kann. Sie gab dabei kaum je eigenes Material zum Besten. Vielmehr griff sie auf Fremdkompositionen zurück, die ihrer Ausdrucksweise entsprachen. Ihr zweiter Hit «Killing Me Softly With His Song» (von Norman Gimbel und Charles Fox) brachte Flack 1973 erneut in die internationalen Hitparaden. Nun hatte sie sich einen Platz im Pop-Olymp gesichert.
Keine EffekthaschereiRoberta Flack riss einen nicht auf Anhieb mit, sie agierte zurückhaltend, ohne Effekthascherei. Dafür wusste sie genau, wie sie durch ihre geschmeidige Phrasierung Spannung aufbauen konnte. Sie eckte musikalisch nie an, so war ihre Musik für das breite Publikum, ohne dass sie darauf geschielt hätte. Eine Zeitlang kooperierte sie mit dem emphatischen Sänger Donny Hathaway. Mit ihm an der Seite gelangen Roberta Flack weitere Erfolge – mit Coverversionen von «You’ve Got A Friend» (Carole King) sowie «Where Is The Love» (Ralph MacDonald und William Salter).
Man verglich Roberta Flack oft mit Nina Simone. Doch es gab zwischen Flack und der in der Bürgerrechtsbewegung engagierten, im Blues tief verwurzelten, unberechenbaren Nina Simone in Wirklichkeit kaum Vergleichsmomente. Lediglich die Haltung war ähnlich – beide Musikerinnen sassen gerne alleine vor dem Klavier, begleiteten sich selbst und horchten in sich hinein.
Roberta Flack gab in den letzten Jahrzehnten immer wieder Konzerte, mehrmals trat sie auch am Montreux Jazz Festival auf. Als sie 2016 einen Schlaganfall erlitt, bedeutete das aber das Ende ihrer Karriere. Nun ist sie am Montagmorgen im Alter von 88 Jahren verstorben. Sie starb friedlich im Kreise ihrer Familie, wie es in einer Meldung ihres Managements heisst.
nzz.ch