Rechtskolumne: Eigentümerversammlung: Darf man spontan Beschlüsse fassen?

Auf der Eigentümerversammlung werden oft Veränderungen diskutiert und beschlossen, die für alle Mitglieder der Eigentümergemeinschaft und die Zukunft der Wohnanlage von großer Bedeutung sind. Zum Beispiel eine umfassende energetische Sanierung. Aber es geht auch um kleinere Vorhaben, etwa einen neuen Standort für die gemeinschaftlich genutzten Mülltonnen. Allerdings können in Zusammenhang mit diesen Versammlungen viele Fehler passieren, die wichtige Neuerungen blockieren oder Beschlüsse unwirksam machen. Was sind die wichtigsten Regeln für die Eigentümerversammlung?
Verwaltungen sind nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) dazu verpflichtet, mindestens einmal im Jahr die Eigentümer zu einer Versammlung einzuladen. Alle Themen, über die ein Beschluss gefasst werden soll, müssen auf der beigefügten Tagesordnung stehen. Man darf also nicht während der Versammlung ein neues Thema entwickeln und postwendend darüber beschließen. Wenn Eigentümer selbst Themen zur Abstimmung einbringen wollen, müssen sie das rechtzeitig tun – und dabei die Frist für den Versand der Einladung im Blick behalten. Dafür gibt es klare Regeln: Die Einladung muss den Eigentümern drei Wochen vorher zugehen. „Wird die gesetzliche Ladungsfrist nicht eingehalten, können Eigentümer die Beschlüsse der Versammlung innerhalb eines Monats anfechten“, sagt Georg Hopfensperger, stellvertretender Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins München. Wichtig ist zudem, dass die Versammlung werktags stattfindet. „Können einige Eigentümer an dem Termin nicht teilnehmen, muss die Hausverwaltung aber nicht zwingend einen neuen Termin suchen, insbesondere dann nicht, wenn sie bereits einen Saal gebucht hat“, sagt der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht.
Die Eigentümerversammlung sollte möglichst in der Nähe der Wohnanlage stattfinden, an einem Ort, den die Eigentümer gut erreichen können. Ein Ort kann Stimmungen hervorrufen und Entscheidungen beeinflussen. Auch deshalb kommt den Räumlichkeiten für die Eigentümerversammlung besondere Bedeutung zu. „Die Versammlung darf im Keller oder der Tiefgarage der Hausgemeinschaft stattfinden, keinesfalls aber an einem Unort“, erklärt Hopfensperger. Ein solcher „Unort“ wäre etwa die Wohnung eines Miteigentümers. Denn die anderen Eigner könnten sich in ihrer „Willensbildung“ und „Entscheidungsfreiheit“ gestört fühlen, wenn sie etwa in dessen Wohnzimmer über die Farbe der Hausfassade abstimmen sollen.

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Nach herrschender Meinung von Rechtsexperten ist die Eigentümerversammlung nicht öffentlich. Denn die Eigentümer sollen bei ihren Entscheidungen nicht von Außenstehenden beeinflusst werden. Wenn einem Ehepaar eine Wohnung gemeinsam gehört, dürfen beide Ehepartner bei der Eigentümerversammlung erscheinen, allerdings darf nur einer der beiden abstimmen. Sollte nur ein Ehepartner Eigentümer sein, darf der andere nicht teilnehmen. Freunde oder Bekannte der Eigentümer oder Mieter dürfen nicht an der Versammlung teilnehmen. Es gibt wenige Ausnahmen, bei denen der Zugang Dritter gestattet ist: Menschen, die noch nicht gut Deutsch sprechen, dürften etwa einen Dolmetscher hinzuziehen, sagt Hopfensperger. „Falls jemand gebrechlich ist, darf er auch einen Rechtsanwalt zur Beratung mitnehmen“, fügt er hinzu. Zudem kann sich der Verwalter mit den Eigentümern dazu abstimmen, Fachleute wie Architekten und Energieberater zur Versammlung einzuladen, etwa, wenn größere Umbauten und Sanierungsarbeiten anstehen.
Was viele Eigentümer nicht wissen: Jede Versammlung ist beschlussfähig. „Es reicht die einfache Mehrheit“, sagt Hopfensperger. Stehen wichtige Entscheidungen an, ist es daher ratsam, sich gut auf die Versammlung vorzubereiten. Kann man den Termin selbst nicht wahrnehmen, sollte man einen Vertreter bevollmächtigen und diesem vorab Anweisungen zur Abstimmung geben, rät Hopfensperger. Das ist in der Regel einer der Miteigentümer, ein Mitglied des Verwaltungsbeirats oder der Verwalter selbst.
Die Tagesordnungspunkte der Hausverwaltung können stichwortartig sein, sie sollten aber erkennen lassen, worum es geht. Ein Schlagwort wie „Dachsanierung“ reicht beispielsweise aus, erklärt Hopfensperger, um sich ein Bild zu machen. Der Hinweis „Sachverständigenbeauftragung“ allein genüge hingegen nicht. „Verwaltungen müssen über den Umfang, die Folgen und die Kosten der geplanten Maßnahmen informieren, sie sind aber nicht dazu verpflichtet, alle Angebote mitzuschicken“, verdeutlicht Hopfensperger.
Vieles lässt sich im Vorfeld besser klären. Sind Fragen zur Tagesordnung offen, kann Eigentümern ein Anruf bei der Hausverwaltung weiterhelfen. Sie können jederzeit Einsicht in die Verwaltungsunterlagen verlangen oder selbst Angebote bei Handwerkern einholen und diese dem Verwalter übergeben, damit er sie in den Entscheidungsprozess bei der Eigentümerversammlung einbezieht.
Hopfensperger rät auch dazu, sich womöglich im Voraus um Mehrheiten für ein Renovierungsprojekt oder eine Neuerung zu bemühen. Ist einmal ein Beschluss gefasst worden, kann dieser nur mit einer Klage zu Fall gebracht werden. Grundsätzlich muss ein Verwalter ab einem Auftragsvolumen von circa 3000 Euro drei Vergleichsangebote vorlegen, damit die Eigentümer eine ausreichende Entscheidungsgrundlage haben. Nicht immer wird dies jedoch praktiziert. Stand beispielsweise für die Sanierung der Tiefgarage nur ein Angebot zur Auswahl, könne ein Beschluss darüber mangels hinreichender Entscheidungsgrundlage leicht angefochten werden, erklärt Hopfensperger. Gerichte können gemäß Paragraf 44 WEG auch die Nichtigkeit eines Beschlusses feststellen, wenn dieser gegen eine Rechtsvorschrift verstößt. Dies ist etwa bei der Errichtung von Schottergärten der Fall, die inzwischen in vielen Bundesländern verboten sind.
Und was hat es mit dem Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ auf der Eigentümerversammlung auf sich? „Hier darf über alles Mögliche geredet werden, aber Beschlüsse dürfen keine gefasst werden“, erklärt Hopfensperger. Andernfalls bestehe ebenso die Option, den Beschluss anzufechten, weil die Eigner sich darauf nicht vorbereiten konnten.

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