Tomaten: So schmeckt der Sommer

Wie Tomaten am besten gedeihen, woher das Wort Paradeiser kommt und wie man aus unreifen Früchten ein köstliches Chutney kocht.
In Gartenforen sieht man gerade vor allem: Bilder von Tomatenpflanzen. Dazu Wetterberichte, Höhenlagen – und die Frage aller Fragen: Können die schon raus? Gemach, möchte man rufen. Wer seit März auf der Fensterbank Tomaten vorzieht oder diese Sonnenplätze mit Pflanzen aus der Gärtnerei für Balkon, Terrasse und Garten vollgestellt hat, kennt das Jucken in den Fingern, den Dschungel zu Hause zu beenden. Dennoch hat die alte Regel, die Eisheiligen abzuwarten, die Polarluft und noch Frostnächte bringen können, viel für sich. Der 11. Mai startet mit Mamertus, gefolgt von Pankratius, Servatius, Bonifatius und schließlich am 15. Mai von Sophia. Wer sichergehen will, wartet bis zur Kalten Sophie. Wer ein Gewächshaus hat, wird die Pflanzen bereits dort stehen haben, der Rest sollte Geduld haben, bis die Temperaturen nachts am besten zweistellig werden. Damit Setzlinge in Beet oder Kübel gut anwurzeln, die unteren Blätter entfernen und 10 Zentimeter tiefer als im Topf einpflanzen, so entstehen mehr Wurzeln, was Stabilität und Nährstoffversorgung fördert. Bis auf Buschtomaten brauchen alle Tomaten Rankhilfen, den meisten dient ein Regenschutz. Wechselnde Temperaturen und Feuchtigkeit begünstigen Pilzkrankheiten wie Kraut- und Braunfäule. Sind die Blätter nass, kann sie sich leichter entwickeln. Tomaten darum nur im Wurzelbereich wässern, nicht von oben. Mit 50 Zentimetern Abstand einsetzen, und am besten einen sonnigen Platz wählen, an dem ein leichter Wind geht. Wer größere Früchte ernten will, zupft bei Stabtomaten Seitentriebe aus, die in den Blattachsen wachsen. Sie rauben der Pflanze zu viel Kraft.
Wenn es im Sommer länger kühl ist oder im Herbst die Sonne schwächelt, reifen Tomaten nur schwer. Macht nichts. Die grünen Früchte in Zeitungspapier wickeln und bei 18 bis 20 Grad im Haus nachreifen lassen. Licht brauchen sie nicht, für die Ausbildung der roten Farbe ist Wärme entscheidend. Tomaten produzieren das Reifegas Ethylen selbst und steuern so ihre Reife. Äpfel tun das auch, und so kann ein neben die Tomaten gelegter Apfel die Ausreifung befördern. Nach spätestens drei Wochen sollten die Tomaten errötet sein. Sie sind allerdings weniger aromatisch als sonnengereifte Früchte. Grün sollte man Tomaten eher sparsam verzehren, sie enthalten das Alkaloid Solanin, das sich erst mit zunehmender Röte zurückbildet und hitzebeständig ist. Magenschmerzen und Kopfweh können die Folge sein. Ein Genuss in Maßen sei aber gesundheitlich unbedenklich, erklärt das Bundeszentrum für Ernährung. Es sei hinzugefügt: und köstlich. Etwa als Chutney. Dafür 1 kg unreife Tomaten und 300 g Zwiebeln würfeln. Dazu zwei gewürfelte säuerliche Äpfel geben, 25 g geriebenen Ingwer und 100 g Rosinen, mit 150 ml Apfelessig 15 Minuten bei mittlerer Hitze köcheln lassen. Saft einer gepressten Zitrone und 125 g Zucker hinzufügen, 45 Minuten weiterkochen lassen, bis die Masse eindickt. Salzen und würzen nach Gusto, mit Zimt, Kardamom, Nelken, Piment oder Chili. Direkt in Gläser füllen oder vorher passieren. Nach vier Wochen hat das Chutney sein ideales Aroma erreicht.
Nicht nur im Topf, auf dem Brot oder im Salat landen Tomaten, sie sind ebenso beliebt in Parfümerie und Design. Der intensive Duft stammt dabei nicht von sonnenreifen Früchten, sondern von den Blättern und Stängeln. Sie sind mit Drüsenhaaren bedeckt, die zum Schutz vor Fressfeinden ein ätherisches Öl absondern. Maison Margiela, Hermès und Jo Malone haben schon tomatenbasierte Parfums und Duftkerzen herausgebracht, Loewe zudem frisch in diesem Frühjahr Schmuck und sogar eine Clutch aus weichem Nappaleder, die an eine Ochsenherz-Tomate erinnert. Teurer als ein Kilo davon ist sie allerdings: Die Tasche kostet 3000 Euro.
Der berühmte Ratgeber „Landwirtschaft und Ackerbau“ erschien erstmals 1600, darin warnte der französische Agrarreformer Olivier des Serres eindringlich vor dem Verzehr von Tomaten. Sie seien giftig und nur als Zierpflanze empfehlenswert. Noch 1760 führte die Pariser Samengärtnerei Vilmorin sie nur als Anschauungsobjekt, was sich aber wenige Jahre später änderte. In Europa wurde die Tomate zur Nutzpflanze. Im US-Bundesstaat New Jersey war es dagegen noch 1820 eine Attraktion, als der prominente Bürger Robert Gibbon Johnson öffentlich in eine Tomate biss. Tausende wohnten dem Schauspiel in der Stadt Salem bei, das er wunderbarerweise überlebte. Menschen in Mittel- und Südamerika aßen da schon seit Jahrhunderten Tomaten. Die Maya und andere indigene Völker sollen sie erstmals 200 vor Christus als Xītomatl oder Tomatl kultiviert haben. Europa erreichte die Tomate Anfang des 16. Jahrhunderts mit dem Spanier Hernán Cortés, der sie bei der Eroberung Mexikos entdeckte.
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