Krämerbrücke in Erfurt: Europas längste bebaute Brücke entdecken

Diese Frage hat Martin Gobsch schon oft gehört: „Wo ist denn hier die Brücke?“ Geduldig klärt der Puppenbauer immer wieder die Touristinnen und Touristen über die Besonderheit des Bauwerks auf, das zu den spannendsten Attraktionen Erfurts zählt. „Eine geniale optische Täuschung!“, soll ein älterer Herr einmal begeistert gerufen haben. Warum? Die Erklärung ist ganz einfach.
Die Krämerbrücke ist bebaut. Wer über das mittelalterliche Kopfsteinpflaster spaziert, vermutet sich auf einer schmalen Gasse. Rechts und links sind die Häuser in bunten Farben gestrichen, viele von ihnen beeindrucken mit kunstvoll geschnitzten Balken.
Gotik und Renaissance, Barock und Gründerzeit haben ihre Spuren an Fassaden und Fenstern, an Dächern und Fassaden hinterlassen. Zahlreiche Galerien und Handwerkerläden laden zum Staunen und Stöbern ein. Doch von der Gera, die träge untendurch fließt, ist hier oben nichts zu sehen.
Die Krämerbrücke wurde um 1117 aus Holz errichtet. Doch nachdem sie ein Brand zerstört hatte, wurde 1325 eine steinerne Brücke über den Fluss gebaut – vor 700 Jahren. Dieses Jubiläum in Erfurt wird 2025 mit kleinen und großen Events gefeiert.
Besondere Vorträge, spezielle Führungen und natürlich das Brückenfest im Juni lassen das Bauwerk neben dem jährlichen Brückenfest gebührend hochleben.

Mit 120 Metern Länge ist die Krämerbrücke die längste durchgehend bebaute Brücke Europas – perfekt für einen historischen Stadtspaziergang.
Quelle: IMAGO/Dreamstime
Ein Hoch auf dieses Bauwerk! Für viele Erfurter und Erfurterinnen ist es das eigentliche Wahrzeichen der Stadt. Einen Dom gäbe es ja in so manchem Ort, aber so eine Brücke ... Die vergleichbaren, aber viel berühmteren Konstruktionen Ponte Vecchio in Florenz und Ponte di Rialto in Venedig hätten nur einige Touristengeschäfte zu bieten und seien mit 95 Metern beziehungsweise 48 Metern vergleichsweise kurz, heißt es. Doch die in Erfurt ist mit ihren 120 Metern die längste durchgehend mit Häusern bebaute und bewohnte Brücke Europas.
Ursprünglich war das Fachwerkensemble mit 62 schmalen Häusern bebaut, die später auf 32 Häuser zusammengefasst wurden. Von den beiden ehemaligen Brückenkopf-Kirchen an den beiden Enden existiert heute noch die Ägidienkirche, deren Turm einen fantastischen Blick auf das turbulente Treiben bietet.
Die Gebäude gehören fast alle der kommunalen Wohnungsgesellschaft Kowo. Doch beim Vermieten spricht die Stiftung Krämerbrücke ein Wörtchen mit. Die „Krämer“ sollen auf die Brücke passen – Filialen von großen Ketten haben keine Chance.
Puppenbauer Martin Gobsch ist einer von 15 Händlern, die auf der Krämerbrücke auch zu Hause sind. Der gelernte Theaterplastiker fertigt vor allem Holzfiguren für Puppentheater an – und lässt sich dabei gern über die Schulter schauen. Und wer ein gobsches Spektakel in Aktion sehen will, kann das in seinem Schaufenster. Einfach Münze einwerfen – schon lüftet das Miniatur-Theater den Vorhang und Schneewittchen hat mit ihren Zwergen einen bezaubernden Auftritt.

Wein, Thüringer Spezialitäten und feine Schokolade laden zum Probieren auf der Krämerbrücke ein, die gar nicht wie eine Brücke wirkt.
Quelle: IMAGO/Volker Preußer
Schräg gegenüber, in der Weinhandlung L’Escargot, hat Sommelière Ewa Zakrzewska ein besonderes Souvenir zum Krämerbrücken-Geburtstag im Sortiment: einen Jubiläumswein.
Die agile Frau, die im Chor des Erfurter Theaters singt, hat dafür einen trockener Grauburgunder aus Rheinhessen auserkoren. „Er ist elegant und von lebendiger Mineralität“, schwärmt sie in den höchsten Tönen. Der passende Tropfen also, um auf die alte Dame anzustoßen. Die Flasche kostet 17,90 Euro.
Getrunken werden kann der Wein natürlich auch im Ausschank gleich vor Ort: Vor allem abends treffen sich die Brückenhändler und ‑bewohner gern vor dem kleinen Ladenlokal, sitzen zusammen, trinken und erzählen. „Wie eine große Familie“, sagt Zakrzewska. „Oder wie ein Dorf in der Stadt.“
Auch Beate Kister schätzt die Gemeinschaft. Die Künstlerin, die für ihre farbenfrohen, fröhlichen und fantasievollen Motive bekannt ist, betreibt in der Nummer 25 ihr Atelier „Kleinformat“. Genau genommen handelt es sich um ein Fenster, aus dem heraus sie wie aus einem Kiosk schaut, ihre Bilder erklärt und aus ihrem Leben erzählt.
Zur Feier des Jahres hat Kister eine Jubiläumsmarke gestaltet. Die ersten 3000 zackigen Exemplare waren bereits nach wenigen Tagen vergriffen. Vor Kurzem wurden weitere 10.000 Stück gedruckt. Das Motiv auf dem 95-Cent-Postwertzeichen? Natürlich die Krämerbrücke – einmal bei Tag und einmal bei Nacht.
Waren es einst teure Gewürze und Arzneien, edle Metalle und Seide, die hier angeboten wurden, sind es nun ausgesuchte Waren, die zumeist in Handarbeit entstehen. Der bunte Mix reicht vom sinnlichen Papierhandwerk in der Qnik Papeterie über spezielle Produkte im Linkshänder-Laden bis hin zur Schokoladen Manufaktur Goldhelm im Haus Nummer 12, vor dem es auf der verkehrsfreien Gasse schon mal zu kleinen Staus kommt.
Wer den köstlichen Brückentrüffeln, Pralinen im Glas und feinsten Trinkschokoladen widerstehen kann, wird nebenan von der wohl vorzüglichsten Eiscreme der Stadt zum Schlemmen verführt. Oder gleich gegenüber, wo Björn Kozempel im Thüringer Spezialitätenmarkt rund 800 Produkte anpreist, die ausschließlich aus dem Bundesland stammen und allesamt genussvolle Renner sind.
Wie wär’s mit Bratwurst in der Dose, Senf aus Kleinhettstedt oder Eierlikör to go? Jaja, der Brückenzoll in Erfurt wird delikat zurückgezahlt und direkt den Hüften der Passanten gutgeschrieben.

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Das Krämerbrückenfest findet jährlich statt, jeweils am dritten Juni-Wochenende. Es wurde erstmals 1975 veranstaltet und entwickelte sich zum größten Altstadtfest Thüringens. Vom 13. bis 15. Juni 2025 wurde es zum 48. Mal gefeiert.
Einen Überblick über die weiteren Events finden Besucherinnen und Besucher im Veranstaltungskalender unter „kraemerbruecke-erfurt.de“.
Die Krämerbrücke liegt im Stadtzentrum von Erfurt. Gute Parkmöglichkeiten gibt es in den Parkhäusern Domplatz, Forum und Anger.
Weitere Auskünfte: Tourist Information, Benediktsplatz 1, 99084 Erfurt, Telefon (0361) 66400, www.erfurt-tourismus.de
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rnd