Was bleibt uns also?

Diese Woche gibt es spannende Neuigkeiten für Kinogänger: „28 Years Later“ ist im Kino! Mit Danny Boyles wütenden Zombies ist es Zeit, einen Blick zurück auf die Entwicklung des Zombiemythos in der Filmgeschichte zu werfen und zu sehen, wie diese Figur die dunkle Seite der modernen Welt widerspiegelt.
Denn der Zombie ist nicht nur ein Element der Angst; er ist das Gespenst der Krisen, die der moderne Mensch durchlebt, der Wut, die er unterdrückt, der Vergangenheit, die er vergisst, und der Subjektivität, die er verliert. Im Laufe der Geschichte repräsentierte der Zombie im Kino den Tod des Bewusstseins, nicht des Körpers. Und das sagt etwas über das vorherrschende System jeder Epoche aus.
ROMERO'S ZOMBIESDer Ursprung der Zombiefigur geht auf die Vodou-Kultur der Karibik zurück. In Haiti war der Zombie ein magisch kontrollierter Sklave, dessen Seele gestohlen worden war und der als halb lebendiger Körper lebte. In dieser Darstellung war nicht der Tod die wahre Angst, sondern der Verlust des Willens. Der Zombie war zu einer lebenden Maschine geworden, die dem Befehl seines Herrn unterstand. Diese Figur wurde in der kolonialen Fantasie des westlichen Blicks neu geformt: Sie wurde zur Metapher für den Menschen, der produziert, aber nicht besitzen kann, der lebt, aber nicht fühlt, der arbeitet, aber nicht denken kann.
Seit den Anfängen des Kinos war der Zombie eher ein gesellschaftspolitisches Diagnoseinstrument als eine Horrorfigur. Das von Karl Marx als „tote Arbeit“ bezeichnete Konzept wurde im Kino erstmals mit der Zombiefigur sichtbar. Romeros „Dawn of the Dead“ (1978) lieferte eine weitere Antwort auf die Fragen der Zeit. Romeros Zombies waren nicht nur fleischfressende Kreaturen, sondern Konsumfiguren der kapitalistischen Gesellschaft. Ziellos in Einkaufszentren umherirrende Zombies waren eine Allegorie einer sich im Konsumtempel wiederholenden Gesellschaft. Im Mittelpunkt seiner Systemkritik machte Romero den Zombie zum Symbol für Rassismus, Militarismus und patriarchale Herrschaft; er machte das System selbst zur Furcht.
Boyles ZombiesIn den 2000er Jahren erlebte das Zombiekino einen dramatischen Bruch. Danny Boyles 28 Days Later (2002) ersetzte die langsamen und schleppenden klassischen Zombies durch Wesen, die mit dem Virus der Wut infiziert waren, lebten, aber nicht dachten, sondern nur angriffen. Diese neuen Zombies waren nicht tot, sondern lebendig. Aber sie lebten ohne jegliche ethische, empathische und bewusste Fähigkeiten. Der Film las die kollektive Angst und den explosiven Zorn der Welt nach dem 11. September durch den Körper des Einzelnen. Diese neue Figur war nicht nur eine filmische Veränderung; sie verkörperte die dunklen Codes des Zeitgeists. 28 Days Later beschrieb die Apokalypse mit viraler Gewalt, einer filmischen Explosion der vom System produzierten unterdrückten Wut. 28 Weeks Later, der 2007 erschien, fügte dem ersten Film eine neue Ebene hinzu. Diesmal war die wahre Bedrohung nicht das Virus, sondern die Ordnung, die es vertuschte. Kontrollwahn amerikanischer Soldaten, Überwachungsgesellschaften, die Zivilisten mit Drohnen überwachen, und im Namen der Sicherheit legitimierte Gewalt … Der Film wurde zu einer Allegorie der Invasion des Irak und des posttraumatischen Westens. Die Angst ging nicht mehr vom infizierten Individuum aus; sie kam vom System selbst. Und nun ist „28 Years Later“ an der Reihe. Als Rückkehr von Danny Boyle und Alex Garland zur Serie und zugleich Auftakt einer neuen Trilogie ist dieser Film nicht nur eine Fortsetzung. Meiner Meinung nach ist er auch die Reinkarnation eines wütenden Geistes, der in die Filmgeschichte eingegangen ist. Mit diesem neuen Film hat dieser Mythos dem postapokalyptischen Kino eine neue Ader eröffnet, sowohl emotional als auch politisch. Danny Boyle hat bewiesen, dass er seinen Punk-Geist noch nicht verloren hat!
(Filmartikel nächste Woche:)
BirGün