Berlin, von der roten Stadt zum Trümmerfeld
Die Nazis unter Hitlers Führung hassten Berlin, in ihren Augen eine korrupte Stadt. Doch statt die Stadt herabzuwürdigen, träumte der Führer davon, sie so umzugestalten, dass sie in seinem tausendjährigen Reich erstrahlen würde. Dieses Paradoxon untersucht Stéphane Füzesséry in seinem anregenden Buch. Er beginnt mit einer Schilderung des beispiellosen Wachstums der Reichshauptstadt: Im 19. Jahrhundert dünn besiedelt, war die Stadt am Vorabend des Ersten Weltkriegs zu einer gigantischen Stadt mit 878 km² (im Vergleich zu 86 km² in Paris) und 4,4 Millionen Einwohnern geworden. Dieses Wachstum erforderte eine doppelte Anpassung: Die Stadt musste sich an ihre Bevölkerung gewöhnen und die Bevölkerung musste sich an die Stadt gewöhnen. Eine heikle Mission. Für die Stadtplanung gab es keinen Masterplan, sodass sich die Stadtbeamten für eine kontrollierte Ausbreitung der Stadt in die Vororte entschieden, um das hartnäckige Wohnungsproblem zu lösen. Und es war auch notwendig, Migranten zu zähmen, um aus Landbewohnern Stadtbewohner zu machen: ihnen beizubringen, Straßen zu überqueren, ohne umgefahren zu werden; aus einer fahrenden Straßenbahn auszusteigen, ohne zu stürzen; öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und dabei minimale Regeln der Höflichkeit zu beachten. Rote Ampeln, Verkehrsschilder … und Polizisten sorgten dafür.
Trotz großer Hindernisse entwickelte sich Berlin bald zu einem Leuchtturm. Während die Massen weiterhin in düsteren Mietskasernen hausen mussten, profitierten sie bald von einem hervorragenden Verkehrsnetz (zuerst Straßenbahn, dann U-Bahn).
Libération